Nun, da mein Blog ja eigentlich auf der Diagnose Asperger fußt, hatte ich bis jetzt, ein Monat nach der Enlasstung aus dem 9 wöchigen Klinikaufenthalt lange keinen Mut mehr einen Eintrag hier zu schreiben – abgesehen von der kognitiven Lähmung die mich derzeit wieder einmal im Griff hat. Gedanken blitzen durch den Kopf und gewinnen so schnell an Wert aufgeschrieben werden zu wollen wie sie ihn wieder verlieren. Zeit- und Raumgefühl lassen zu wünschen übrig und meine Probleme aufgrund meiner dependenten Persönlichkeitsanteile erschweren es mir meine Ziele im Fokus zu behalten, oder überhaupt welche zu haben. Mein Alltag besteht aus dissoziativen Zuständen und gelegentlichen extremen emotionalen Ausschlägen, die mich in einen Sog aus Strukturlosigkeit ziehen, woran meine derzeitige Lebenssituation im einem weiteren Urlaubssemester und ohne viele therapeutische Haltpunkte nicht unschuldig ist. Man entließ mich sehr kurzfristig aus der Klinik, ohne Tips oder einen Anhaltspunkt, ohne haltgebende Struktur, mit einer gesetzlichen Betreuung an der Seite und das wars. Nun heißt es, ich solle mich nicht überlasten sobald ich den Wunsch äußere arbeiten zu gehen. Arbeit solle ich mir überlegen und besser an mir arbeiten, aber wie?? Ich bin noch immer in der Warteschlange für die Einzeltherapie. Was zum Teufel soll ich denn den ganzen Tag machen außer aufstehen, TV gucken, Abend essen und schlafen gehen?
Zur Zeit habe ich einmal die Woche ambulante Ergotherapie, was für mich eine gute Gelegenheit ist trotz der chronischen inneren Apathie und Realitätsverluste mal raus zu gehen, unter Menschen zu sein und etwas zu schaffen. Dann habe ich ebenfalls einmal die Woche noch eine Art Gruppentherapie, die mehr der Information über Borderline dient und dem Austausch als der Bearbeitung aktueller Probleme. Wirklich bringen tut mir das gerade nichts, das sind gerade mal zwei Stunden in der Woche, in denen ich etwas sinnvolles tue.
Für mich ist es wichtig die Diagnose zu haben, aber es bringt mich auch in einen Konflikt, da ich vielfach gehört habe dass sich Asperger und Borderline praktisch überhaupt nicht vereinbaren lassen, quasi sowas wie Gegensätze sind. Meine Probleme im Umgang mit Sozialkontakten lassen sich auch mit Dissoziation nicht alleine erklären, finde ich. Die Ärzte in der Klinik bestanden trotz bis heute ausgebliebenem, aber trotzdem existierendem Gutachten des Facharztes, der bei mir Asperger diagnostizierte, darauf, dass meine „autistischen Züge“ (die Gänsefüßchen waren in ihrer Ausdrucksweise deutlich herauszuhören) nicht auf ein Asperger Syndrom zurückzuführen seien und Nebenwirkungen anderer psychischer Probleme sein könnten. Damit habe ich mich aber bis heute nie zufrieden gegeben.
Denn ich denke, das würde es wiedereinmal zu einfach für die Außenstehenden um mich herum machen zu sagen, ich solle mir doch „einfach“ ein soziales Netzwerk aufbauen, weil mir damit auch das Aufrechterhalten einer stabilisierenden Tagesstruktur automatisch besser gelänge. „Einfach“ die Ängste so oft zu überwinden und trotz größter Anspannung mich immer wieder in den nicht einmal für mich Mehrwert bietenden Löwenkäfig aus sozialen Kontakten zu begeben erscheint mir aber als höchst fahrlässig und ignorant von anderen von mir zu verlangen. Ich fühle mich wie immer missverstanden und wie im falschen Körper, denn ich würde ja, könnte ich und wollte ich. Ja, die Seele eines Menschen will Kontakt, aber der Kopf will es dennoch nicht, das gibt es und ich denke nicht dass das mit Borderline-spezifischen Problemen zu tun hat.
Manchmal wünsche ich mir, einfach naiv und dumm durch die Welt gehen zu können. Meine Gabe ständig alles zu hinterfragen und mir dabei stets selbst auf eine rationale Weise die Antworten auf alles geben zu können nimmt mir zu einem großen Teil den Willen überhaupt auf dieser Welt zu weilen. Was gibt mir der Kontakt zu anderen, wenn ich sie immer wieder nur durchschaue und das, was Menschen als so unterhaltend und lebenswert empfinden, zu tausenden Malen schon gesehen und erkannt habe? Was wenn es einfach nichts gibt, was mich bei irgendjemandem hält, außer diese unbändige Borderlinegefühlswelt, die sich eben bei meiner einzigen Bezugsperson, meinem Freund, entläd und ihn damit überschüttet? Es gibt keinen Grund für mich mich für andere Menschen zu interessieren, da ich einfach kein Interesse an ihnen habe. Mein Freund ist wiederum wie meine zweite Hälfte und die Ängste vor allem davor, von ihm verlassen zu werden, durchschütteln mich oft, quälen mich zwar, aber halten mich am Leben und geben ihm einen Sinn. Gefühle für Menschen, das ist denke ich der Sinn im Leben, oder bin ich Gehirnwaschen von einer Welt die sich gerne in romantischen Büchern und Filmen wegträumt und sich ständig von Werbung das perfekte Leben suggerieren lässt?
Nun, da ich ja auch neue Medikamente nehmen muss gegen die Depressionen (Cymbalta) kann ich nicht mal mehr Alkohol trinken um soziale Kontakte wenigstens wollen zu können, da dieser zehnfach schneller und stärker nun wirkt und auch extreme emotionale Ausbrüche bei mir zur Folge hat, seit dem ich die Medikamente dazu nehmen muss. Ich habe in den Malen wo ich meine sozialen Bedürfnisse mithilfe von Alkohol befriedigen wollte mich entweder mit Leuten geprügelt, die mich nur verschonten weil ich ne Frau bin, oder bin fast meinen Freund losgeworden, weil ich ihn mit Dingen terrorisiert habe die eigentlich längst vergessen waren. Das Ende solcher Abende die eigentlich hätten schön sein können war dass ich mit Panikattacken und Heukrämpfen durch die Stadt rannte, auf der Suche nach meinem Freund, der die Schnauze voll hatte. Es ist, als würde meine komplette Borderlinegefühlswelt jetzt wo ich ein sicheres Mittel gegen meine chronischen Depressionen einnehme umso mehr zutage treten. Die Saufgelage einmal die Woche, die mir halt gaben weil sie mir zeigten dass ich doch Freude unter Menschen empfinden und sensorischen Stress ausblenden kann, fallen nun aus, und mit ihnen auch wichtige Dinge die mir, destruktiv wie sie waren, dennoch Halt gaben. Super toll.
Ja, es ist eine von Gegensätzen geprägte Gefühlswelt die Asperger und Borderline mit sich bringen, wenn es nicht schon alleine Borderline tut. Ich habe das Gefühl sonst nichts zu haben. Ich will ein normales Leben, Freunde, gesundes Interesse an anderen Menschen außer meiner Liebe und ein einigermaßen ausgeglichenes Gefühlsleben. Das kann ich nicht haben und ich habe keine Ahnung, wie ich es anstellen soll damit zu leben, denn alles wehrt sich dagegen, dieses Leben leben zu wollen. Irgendeines, aber nicht dieses.
Ich glaube die einzige emotional wertvolle Bindung die ich abgesehen von meiner Beziehung haben kann ist die zu einem Tier. Ich wünsche mir nun schon seit Jahren so sehntlichst einen Hund aber Schulden schütteln meine finanzielle Situation, weil ich zu oft meine Bedürfnisse mit Kaufanfällen versucht habe zu befriedigen. Nun habe ich eine gesetzliche Betreuung die ein Auge darauf hat dass wenigstens das organisatorische Drumherum in meinem kaltleeren Alltag funktioniert und so schnell sicher nicht zulässt dass ich mir wieder eine Schuldenfalle einhandle. Schließlich leide ich ja an fehlender Impulskontrolle, da kann man ja nie wissen wann ich wieder keinen Bock auf das habe, was ich im anderen Moment ausfüllend fand. Ganz ehrlich, ich weiß es selbst nicht und mein Vertrauen zu mir selbst schwindet, hat womöglich nie existiert.
Es gibt ja sogar Menschen, die sich für mich interessieren. Es gibt auch Phasen in denen ich mich für sie interessiere. Aber das ist nicht von Dauer und nach kürzester Zeit schwindet mein Interesse und gut gemeinte Annäherungsversuche ignoriere ich oder scheuche sie von mir wie ein Pferd eine Schar Fliegen die es stören.
Mit Hobbys funktioniert es genau so. Bis vor kurzem hatte ich eine Phase in der ich wieder unglaublich gerne gehäkelt habe und den großteil meines Tages an einem Projekt arbeiten konnte ohne die Lust daran zu verlieren. Morgens stand ich auf und das erste woran ich dachte war, häkeln häkeln häkeln. Nichts neues, das hatte ich schon mit tausend Dingen. Es entspannte mich und ich googelte stundenlang schöne Projekte die ich umsetzen könnte, in der Hoffnung meine Tatkraft produktiv ausnutzen zu können und endlich auch mal was hinzukriegen, während mein Freund jeden Tag das Geld ranschafft. Vor lauter Bilder sammeln wuchs der Berg an Möglichem was ich umsetzen könnte und damit auch das Gefühl, nichts davon zu schaffen. Mittlerweile schmeiße ich mein Häkelwerk nach wenigen Minuten wieder hin. Es ist immer wieder dasselbe.
Leute, ich kann mich gerne zwingen so zu tun als hätte ich Spaß am Leben. Aber bitte erwartet dann von mir auch nicht dass ich umgänglich bin. Keiner hat mich je gefragt ob ich einverstanden damit bin, so auf diese Welt zu kommen!