Diagnosen über Diagnosen

Nun, da mein Blog ja eigentlich auf der Diagnose Asperger fußt, hatte ich bis jetzt, ein Monat nach der Enlasstung aus dem 9 wöchigen Klinikaufenthalt lange keinen Mut mehr einen Eintrag hier zu schreiben – abgesehen von der kognitiven Lähmung die mich derzeit wieder einmal im Griff hat. Gedanken blitzen durch den Kopf und gewinnen so schnell an Wert aufgeschrieben werden zu wollen wie sie ihn wieder verlieren. Zeit- und Raumgefühl lassen zu wünschen übrig und meine Probleme aufgrund meiner dependenten Persönlichkeitsanteile erschweren es mir meine Ziele im Fokus zu behalten, oder überhaupt welche zu haben. Mein Alltag besteht aus dissoziativen Zuständen und gelegentlichen extremen emotionalen Ausschlägen, die mich in einen Sog aus Strukturlosigkeit ziehen, woran meine derzeitige Lebenssituation im einem weiteren Urlaubssemester und ohne viele therapeutische Haltpunkte nicht unschuldig ist. Man entließ mich sehr kurzfristig aus der Klinik, ohne Tips oder einen Anhaltspunkt, ohne haltgebende Struktur, mit einer gesetzlichen Betreuung an der Seite und das wars. Nun heißt es, ich solle mich nicht überlasten sobald ich den Wunsch äußere arbeiten zu gehen. Arbeit solle ich mir überlegen und besser an mir arbeiten, aber wie?? Ich bin noch immer in der Warteschlange für die Einzeltherapie. Was zum Teufel soll ich denn den ganzen Tag machen außer aufstehen, TV gucken, Abend essen und schlafen gehen?

Zur Zeit habe ich einmal die Woche ambulante Ergotherapie, was für mich eine gute Gelegenheit ist trotz der chronischen inneren Apathie und Realitätsverluste mal raus zu gehen, unter Menschen zu sein und etwas zu schaffen. Dann habe ich ebenfalls einmal die Woche noch eine Art Gruppentherapie, die mehr der Information über Borderline dient und dem Austausch als der Bearbeitung aktueller Probleme. Wirklich bringen tut mir das gerade nichts, das sind gerade mal zwei Stunden in der Woche, in denen ich etwas sinnvolles tue.

Für mich ist es wichtig die Diagnose zu haben, aber es bringt mich auch in einen Konflikt, da ich vielfach gehört habe dass sich Asperger und Borderline praktisch überhaupt nicht vereinbaren lassen, quasi sowas wie Gegensätze sind. Meine Probleme im Umgang mit Sozialkontakten lassen sich auch mit Dissoziation nicht alleine erklären, finde ich. Die Ärzte in der Klinik bestanden trotz bis heute ausgebliebenem, aber trotzdem existierendem Gutachten des Facharztes, der bei mir Asperger diagnostizierte, darauf, dass meine „autistischen Züge“ (die Gänsefüßchen waren in ihrer Ausdrucksweise deutlich herauszuhören) nicht auf ein Asperger Syndrom zurückzuführen seien und Nebenwirkungen anderer psychischer Probleme sein könnten. Damit habe ich mich aber bis heute nie zufrieden gegeben.

Denn ich denke, das würde es wiedereinmal zu einfach für die Außenstehenden um mich herum machen zu sagen, ich solle mir doch „einfach“ ein soziales Netzwerk aufbauen, weil mir damit auch das Aufrechterhalten einer stabilisierenden Tagesstruktur automatisch besser gelänge. „Einfach“ die Ängste so oft zu überwinden und trotz größter Anspannung mich immer wieder in den nicht einmal für mich Mehrwert bietenden Löwenkäfig aus sozialen Kontakten zu begeben erscheint mir aber als höchst fahrlässig und ignorant von anderen von mir zu verlangen. Ich fühle mich wie immer missverstanden und wie im falschen Körper, denn ich würde ja, könnte ich und wollte ich. Ja, die Seele eines Menschen will Kontakt, aber der Kopf will es dennoch nicht, das gibt es und ich denke nicht dass das mit Borderline-spezifischen Problemen zu tun hat.

Manchmal wünsche ich mir, einfach naiv und dumm durch die Welt gehen zu können. Meine Gabe ständig alles zu hinterfragen und mir dabei stets selbst auf eine rationale Weise die Antworten auf alles geben zu können nimmt mir zu einem großen Teil den Willen überhaupt auf dieser Welt zu weilen. Was gibt mir der Kontakt zu anderen, wenn ich sie immer wieder nur durchschaue und das, was Menschen als so unterhaltend und lebenswert empfinden, zu tausenden Malen schon gesehen und erkannt habe? Was wenn es einfach nichts gibt, was mich bei irgendjemandem hält, außer diese unbändige Borderlinegefühlswelt, die sich eben bei meiner einzigen Bezugsperson, meinem Freund, entläd und ihn damit überschüttet? Es gibt keinen Grund für mich mich für andere Menschen zu interessieren, da ich einfach kein Interesse an ihnen habe. Mein Freund ist wiederum wie meine zweite Hälfte und die Ängste vor allem davor, von ihm verlassen zu werden, durchschütteln mich oft, quälen mich zwar, aber halten mich am Leben und geben ihm einen Sinn. Gefühle für Menschen, das ist denke ich der Sinn im Leben, oder bin ich Gehirnwaschen von einer Welt die sich gerne in romantischen Büchern und Filmen wegträumt und sich ständig von Werbung das perfekte Leben suggerieren lässt?

Nun, da ich ja auch neue Medikamente nehmen muss gegen die Depressionen (Cymbalta) kann ich nicht mal mehr Alkohol trinken um soziale Kontakte wenigstens wollen zu können, da dieser zehnfach schneller und stärker nun wirkt und auch extreme emotionale Ausbrüche bei mir zur Folge hat, seit dem ich die Medikamente dazu nehmen muss. Ich habe in den Malen wo ich meine sozialen Bedürfnisse mithilfe von Alkohol befriedigen wollte mich entweder mit Leuten geprügelt, die mich nur verschonten weil ich ne Frau bin, oder bin fast meinen Freund losgeworden, weil ich ihn mit Dingen terrorisiert habe die eigentlich längst vergessen waren. Das Ende solcher Abende die eigentlich hätten schön sein können war dass ich mit Panikattacken und Heukrämpfen durch die Stadt rannte, auf der Suche nach meinem Freund, der die Schnauze voll hatte. Es ist, als würde meine komplette Borderlinegefühlswelt jetzt wo ich ein sicheres Mittel gegen meine chronischen Depressionen einnehme umso mehr zutage treten. Die Saufgelage einmal die Woche, die mir halt gaben weil sie mir zeigten dass ich doch Freude unter Menschen empfinden und sensorischen Stress ausblenden kann, fallen nun aus, und mit ihnen auch wichtige Dinge die mir, destruktiv wie sie waren, dennoch Halt gaben. Super toll.

Ja, es ist eine von Gegensätzen geprägte Gefühlswelt die Asperger und Borderline mit sich bringen, wenn es nicht schon alleine Borderline tut. Ich habe das Gefühl sonst nichts zu haben. Ich will ein normales Leben, Freunde, gesundes Interesse an anderen Menschen außer meiner Liebe und ein einigermaßen ausgeglichenes Gefühlsleben. Das kann ich nicht haben und ich habe keine Ahnung, wie ich es anstellen soll damit zu leben, denn alles wehrt sich dagegen, dieses Leben leben zu wollen. Irgendeines, aber nicht dieses.

Ich glaube die einzige emotional wertvolle Bindung die ich abgesehen von meiner Beziehung haben kann ist die zu einem Tier. Ich wünsche mir nun schon seit Jahren so sehntlichst einen Hund aber Schulden schütteln meine finanzielle Situation, weil ich zu oft meine Bedürfnisse mit Kaufanfällen versucht habe zu befriedigen. Nun habe ich eine gesetzliche Betreuung die ein Auge darauf hat dass wenigstens das organisatorische Drumherum in meinem kaltleeren Alltag funktioniert und so schnell sicher nicht zulässt dass ich mir wieder eine Schuldenfalle einhandle. Schließlich leide ich ja an fehlender Impulskontrolle, da kann man ja nie wissen wann ich wieder keinen Bock auf das habe, was ich im anderen Moment ausfüllend fand. Ganz ehrlich, ich weiß es selbst nicht und mein Vertrauen zu mir selbst schwindet, hat womöglich nie existiert.

Es gibt ja sogar Menschen, die sich für mich interessieren. Es gibt auch Phasen in denen ich mich für sie interessiere. Aber das ist nicht von Dauer und nach kürzester Zeit schwindet mein Interesse und gut gemeinte Annäherungsversuche ignoriere ich oder scheuche sie von mir wie ein Pferd eine Schar Fliegen die es stören.

Mit Hobbys funktioniert es genau so. Bis vor kurzem hatte ich eine Phase in der ich wieder unglaublich gerne gehäkelt habe und den großteil meines Tages an einem Projekt arbeiten konnte ohne die Lust daran zu verlieren. Morgens stand ich auf und das erste woran ich dachte war, häkeln häkeln häkeln. Nichts neues, das hatte ich schon mit tausend Dingen. Es entspannte mich und ich googelte stundenlang schöne Projekte die ich umsetzen könnte, in der Hoffnung meine Tatkraft produktiv ausnutzen zu können und endlich auch mal was hinzukriegen, während mein Freund jeden Tag das Geld ranschafft. Vor lauter Bilder sammeln wuchs der Berg an Möglichem was ich umsetzen könnte und damit auch das Gefühl, nichts davon zu schaffen. Mittlerweile schmeiße ich mein Häkelwerk nach wenigen Minuten wieder hin. Es ist immer wieder dasselbe.

Leute, ich kann mich gerne zwingen so zu tun als hätte ich Spaß am Leben. Aber bitte erwartet dann von mir auch nicht dass ich umgänglich bin. Keiner hat mich je gefragt ob ich einverstanden damit bin, so auf diese Welt zu kommen!

Labyrinth der Selbstwahrnehmung

Nun, hallo. Ich fühle mich schrecklich unkreativ und versuche dennoch hier ein Lebenszeichen von mir zu geben. Ich befinde mich nach fast genau 9 Jahren das erste mal wieder in der Psychiatrie. Seit ein paar Tagen habe ich wieder ein Gerüst um mich herum um das bloße „Funktionieren“ wiederzuerlangen. Dass das das einzige ist was ich in diesem Moment wieder erlangen sollte geht schwer in meinen Kopf. Der ist sehr unbarmherzig mit mir und verlangt Klarheit, Leistung, Produktivität und Organisation, obwohl er selber keinen Beitrag dazu leistet. Dieser Krieg war mir in den letzten Jahren immer mehr oder weniger präsent. Der Grund weshalb er mich gerade jetzt in die Klinik gebracht hat war der Rest meines Körpers. Der Krieg, den mein Kopf Tag für Tag ausfechtet, hat ihn ganz schön ausgelaugt und langsam aber sicher mit immer mehr psychosomatischen Quälereien überhäuft. Dass das in eine Angst- und Verzweiflungsspirale führt ist klar. Deswegen bin ich nun hier.

Im Moment weiß ich wenig. Ich fühle kaum etwas. Lethargisch. Warum soll ich eigentlich einen Text schreiben. Warum? Na, weil ambivalent dazu eigentlich nichts klar ist. Ich sehne mich nach Klarheit. Nach Ordnung, und Kraft. „Streng Dich an“ ist ein Satz wie ein Schlag ins Gesicht für jemanden, der nicht mal weiß ob er sich genug anstrengt aber dennoch ständig genug hat. Hier muss ich nur funktionieren. Wach bleiben. Zu festen Zeiten essen, schlafen und runter kommen.

Dass das jedoch meine Probleme nicht löst dürfte klar sein. Meine Gedanken drehen sich nur darum, wie es ist wenn ich wieder draußen bin. Dann ist alles wieder beim Alten, denn im Grunde kann mir auch das neue Medikament, was ich hier bekomme, nicht helfen das an meinem Leben zu ändern was nur ich ändern kann. Meinem Leben Sinn, Struktur und Ordnung zu geben. Diese Einsicht, dass ich der Hauptcharakter, die Hauptverantwortliche für mein Wohl sein soll, bringt mich aus der Fassung. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich mich nicht wollen, denn ich bin ein Haufen Chaos. Antriebslos, kompliziert, unzufrieden, manchmal extrem verzweifelt, dann wieder apathisch, und will mir jemand helfen, weiß ich plötzlich nichts mehr, kann auf nichts zugreifen. Mein Kopf ist dann wie leer gefegt. So wie jetzt.

In der Schublade liegt ein Amnamesefragebogen, den ich großteils ausgefüllt habe. Vieles durchgestrichen, verbessert, revidiert. Wer bin ich eigentlich, zu wissen was mein Problem ist, wenn mein Problem das Denken und Wahrnehmen ist? Die Diagnostik steht hier noch an. Ich will Klarheit aber habe gleichzeitig Angst davor. Angst Missverstanden zu werden. Angst selber nicht einmal erklären zu können, was man denn an mir verstehen muss. Ein einziges irrationales Kuddelmuddel in meinem Kopf.

Autismus verworfen, Schizoaffektive Störung wieder angenommen, dann wieder verworfen, Asperger Autismus wieder angenommen, Bipolar kann ich auch nicht sein, oder etwa doch? Oder etwa doch einfach „nur“ depressiv? Bin ich nicht vielleicht doch einfach nur „schüchtern“? Eine ängstlich vermeidende Persönlichkeit? Nichts davon scheint wirklich zu passen. Ich bin alles und doch nichts. Keine Schublade dieser Welt vermag mir Klarheit zu verschaffen und den Weg zu zeigen.

Dann sind da diese Menschen auf Station, die sich selbst Fleischwunden zufügen, Menschen die alle paar Tage zuverlässig vorhersehbar einen Nervenzusammenbruch haben, Menschen die zuverlässig ausmachbar Stimmen hören, Menschen die einfach Probleme haben an denen es nichts zu rütteln, nichts falsch zu interpretieren, nichts über zehn Ecken zu denken oder keine Maske vorher abzusetzen gilt, bevor man diese Probleme versteht und bearbeiten kann. Gesegnet sind die. Möglicherweise bilde ich es mir ein, aber das ist mir gerade egal. Die meisten Menschen nerven mich eh nur. Kommen quasselnd auf eine Station für Krisenintervention und tun so als sei nichts, und dann kommt ein Arzt und kann ihnen zuverlässig das Borderline Syndrom diagnostizieren. Und was ist mit mir? Was bin ich? Was fühle ich? Was kann ich und was nicht? Ab wann leide ich zuviel? Bin ich krank? Was tut mir gut?

Ich weiß es nicht.

Wrong Planet Syndrom

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Nun, dies wird wohl wieder einer dieser narzisstischen Selbstmitleids – Beiträge. Mein Blog weist tatsächlich bis jetzt fast nur solche Einträge auf und aus den Rechtfertigungen anderer Blogger mit ähnlichen Inhalten kann ich entnehmen, dass dies gesellschaftlich nicht gerade anerkannt ist. Nun, das kümmert mich an und für sich einen Scheißdreck und ich will auch keinen „Liebsten Award“. Auch interessiert es mich herzlich wenig, ob ich zu langatmig schreibe, den Leser nicht „abhole“ oder keine Themen behandle, die die breite Masse interessieren. Ich verstehe nicht, wieso dies überhaupt verlangt wird. Wieso Dinge wertvoller werden je massentauglicher sie sind. Zu viele Köche verderben den Brei und Quantität ist nicht gleich Qualität. Dies ist MEIN Blog, MEIN Ventil, und da kommt DAS rein, was ich nicht für mich behalten kann. Wer es liest ist selber schuld und es ist von mir gewollt, dass die Welt erfährt, wie sehr ich mich in ihr die meiste Zeit über wie ein Fremdkörper fühle, indem sie beim Lesen meiner Texte ebenfalls das Gefühl vermittelt bekommt nichts von alldem zu verstehen – und ganz und gar nicht literarisch bedient zu werden. Ich bin ja schließlich kein Unterhalter.

Ich bin in einem Daueroverload – eine hilfreiche Erkenntnis, und gleichzeitig kotzt es mich an, dass ich das so nennen muss. Ich hasse diese Schubladen. Sie sind so limitiert und betitelt man eigene Standpunkte und Zustände mit solchen Labels, wird gleich davon ausgegangen dass diese unwiderruflich gelten und keinen Blick über den Tellerrand zulassen, und achja ist da eine Schublade, muss ja ja ein passender übergeordneter Schrank existieren – diese krankhafte Sucht nach Sicherheit ekelt mich an. Das ist ein Teil von dem, was in mir diese Overloads verursacht. Dieser Teil äußert sich in einem andauernden Gefühl, die eigene Spezies nur noch verachten zu können, weil man gleichermaßen glaubt Dinge zu wissen und zu erkennen, die aber mit den Mitteln, die diese Spezies ab Werk hat und von der ich nun mal ein Teil bin (Sprache, Texte, Filme, usw.) niemals hinreichend nach außen übersetzen zu können bzw. sich anderweitig dieser Ungewissheit über den inneren Gedankenkrieg entledigen zu können.

Ich weiß nicht, aber mich belastet gerade einfach alles. Ich kann aber nicht einfach nur daliegen und nichts tun, weil die Leere mich regelrecht unruhig machen würde. Nach maximal 5 Minuten würde ich mir wieder mein Handy schnappen und irgendwelche Themen googeln, die eigentlich sachlich sein müssten, um dann wieder festzustellen, dass niemand meinem Anspruch an objektiver Betrachtungsweise gerecht werden kann und das Gefühl zu entwickeln, in einer Welt aus emotionalen Monstern zu leben.

Die Hitze tut ihr übriges und hindert mich daran, mich adäquat auf eine handfeste Sache konzentrieren zu können um wenigstens etwas produktives zu tun, z.B. meine Aufgaben für mein Informatik Studium zu erledigen. Ich bin nur müde und gleichzeitig die ganze Zeit schrecklich ruhelos.

Gestern war ich mit meinem Schatz im Freibad, an und für sich war das eine total schöne Sache, denn ich wollte endlich mit ihm zusammen dieses befriedigende Gefühl haben sich bei brühend heißem Wetter abkühlen zu können. Auch letzte Woche hatte ich diese Art der Abkühlung mit meinen Freunden. An und für sich könnte ich glücklich sein, auch endlich langsam aber sicher ein „normales soziales Sommerleben“ zu führen. Und das bin ich auch! Aber es ändert leider nichts daran, dass alles immer so stressig für mich ist und ich immer Pausen brauche selbst von den besten Menschen, ganz besonders wenn das Wetter an sich schon einen Daueroverload in Form von klebender Kleidung, streikendem Kreislauf und schweren Atem verursacht – und ich dann, sobald ich alleine bin, ambivalent dazu auf eine abwertende Weise so getrennt von allem fühle – sprich einsam. Und dann muss ich mir wieder eingestehen, dass ich eigentlich nur dieses Gefühl loswerden wollte, welches sich im Sommer ganz besonders penetrant anschleicht, wenn alle Menschen auf der Welt theatralisch ihre körperliche und soziale Freizügigkeit auf öffentlichen Plätzen feiern, da wo es auch jeder sehen kann, der ich, aus welchen Gründe auch immer,ursprünglich eigentlich nicht beiwohnen kann und will! Ich weiß nicht mal mehr ob ich es überhaupt will, oder ob ich es nur brauche, damit dieses quälende Gefühl des getrennt Seins von allem ebenfalls menschlichen um mich herum endlich weg geht!

Aber nein, ich will eigentlich auch gar nicht sein wie die anderen – denn ich BIN es nicht! Wieso sonst habe ich fortwährend das Gefühl Details zu sehen die keiner wahrnimmt, Dinge in ihrer Gesamtheit von Perspektiven betrachten zu können die andere wegen ihrer stumpfen Autoritätshörigkeit nicht einmal in Betracht ziehen (und sich damit sogar mitunter als „aufgeklärt“ bezeichnen) und werde davon förmlich verrückt, dass dieses ganze Einsichts-Kuddelmuddel niemand sonst erfährt?

Ab hier bricht mein Gedankengang wieder mal wohl ab, und ich muss meinen Oberload wieder auf die lange Bank schieben, da er ja sowieso nicht vermeidbar ist, egal wo ich gehe und stehe, egal wie laut oder ruhig es auch sein mag – mein Kopf mag einfach keine Ruhe geben und ist nicht einmal so fair mir mitzuteilen weshalb.

Ein Versuch, meine Vergangenheit anzurühren

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Zeichnung: Wahrscheinlich das, was mir die Haut gerettet hat – Meine Spezialinteressen und verzweifelte Realitätsflucht. Sich den Eltern, der eigenen „Mutter“ zu widersetzen, die ein Kind in seine Existenz tagtäglich bedroht – etwas was sich Ärzte nur mit einem unbändigen Lebenswillen erklären können.

Kurze Vorwarnung: Menschen mit traumatischen Erlebnissen in der Familie sollten dies besser nicht lesen. Es könnte triggernd wirken.

Nein, ich habe keine „Mutter“. Und ja, ich hasse diejenige, die mich gezeugt hat.

Gestern habe ich etwas gesehen, was mich leider extrem getriggert und an meine Vergangenheit erinnert hat, meine Vergangenheit mit meiner Erzeugerin, meiner „Mutter“. Normalerweise habe ich meine Vergangenheit fein säuberlich hinter dem Vorhang 2008 verbuddelt und rühre sie niemals an. Verdrängt. Aber nun kam sie unausweichlich wieder in mein Bewusstsein. Die darauffolgende Nacht hatte ich Alpträume, dass meine Erzeugerin zurückgekehrt ist und unabwendbar in meiner Wohnung haust, und niemand etwas dagegen tun kann. Niemand sich wehrt, niemand sie entfernt, ich keine Fluchtmöglichkeit habe. Dass das Gefängnis, die isolierte Folterzelle, in der ich meine Kindheit verbracht habe, wieder Wirklichkeit würde. Denn sie hat mich als Kind jahrelang psychisch und physisch misshandelt, und zwar derart, dass ich Jahre meines Lebens in stationären und ambulanten Therapien verbringen musste, was bis heute nicht abgeschlossen ist.

Auch wenn mir das große mentale Schmerzen in Form von Grübelzwängen bereitet, versuche ich kurz meine Vergangenheit möglichst prägnant und trotzdem so, wie ich sie erlebt habe, darzustellen. Meine Erzeugerin, die ich im weiteren auch nicht „Mutter“ nennen werde, hat eine schizophren-paranoide Psychose, die seit meiner Geburt täglich Auswirkungen auf mein gesamtes Leben hatte. Diese Krankheit verlief nicht linear, die Symptome wurden extremer und häufiger je älter ich wurde. Ich habe eine Schwester, die sich, als ich mit 15 erfuhr dass mein Vater nicht mein leiblicher  Vater ist, als meine Halbschwester herausstellte. Sie bekam als die jüngere von uns beiden meist nicht direkt ihre Attacken ab. Mein Stiefvater arbeitete auf Montage und war daher ab meinem 6. Lebensjahr nur am Wochenende, manchmal auch nur jedes zweite, zuhause. Ja, ich fühle sogar Schmerzen, wenn ich das als zuhause beschreiben muss, aber irgendwie muss ich es ja beschreiben. Mein Stiefvater, den ich im Folgenden einfach nur meinen Vater nenne, da er für mich nicht nur der einzige bekannte Vater, sondern heute auch die wichtigste familiäre Person in meinem Leben ist, war, wenn er daheim war, Ziel Nr. 1 der psychischen und physischen Tortur meiner Erzeugerin. War er nicht da, wechselte ihr Fokus sogleich auf mich, und habe ich mich ihrer Auffassung nach unauffällig verhalten, wechselte ihr Fokus auf meine 4 Jahre jüngere Halbschwester.

Es ist für mich leider nur unzureichend möglich, die Inhalt und Art der Attacken meiner Erzeugerin zu beschreiben, da ich, seitdem ich den Kontakt (nun seit 8 Jahren) abbrechen konnte und ein eigenes Leben begann, unter einer Art Amnesie leide. ich kann mich nur bruchstückweise an die Dinge, die meine Erzeugerin betreffen, erinnern. Zudem ist es schwer, die Intensität einer Misshandlung, die sich nicht über eine einmalige Attacke, sondern über schleichende, jahrelange, täglich wiederholende Vorfälle in Kombination mit sozialer Isolation und Mobbing in der Schule ergibt, in einem Absatz wiederzugeben. Nein, es ist unmöglich. Und es ist der Grund, weshalb ich bis heute und Grübelzwängen leide und meine Emotionen im Alltag, besonders bei Overloads, die Übermacht über mich übernehmen.

Dennoch versuche ich einmal einige der Bruchstücke zusammen zu tragen. Es gibt nämlich einige Erlebnisse, die sich der Amnesie zum Trotz in meinem  Kopf eingebrannt haben und so in der Form jeden Tag vorkamen, natürlich phasenweise, da eine Psychose phasenweise verläuft:

– Urplötzliche Schreie, Kettenartige, sehr verschachtelte Schimpftiraden mit Beschimpfungen, die sich aus komplizierten Fremdwörtern zusammensetzten und im Großen und Ganzen die Folgenden Inhalte hatten: Ich soll sterben, ich wäre besser nicht geboren, Ich sei ein Mörder, ein Verbrecher, Ich wäre der Teufel, ich würde Komplotte schmieden und an allem Übel Schuld sein, Drohungen mir etwas anzutun, mich umzubringen, alles in Verbindung mit extremer Hysterie und unberechenbarem Verhalten, dazu Bloßstellung in der Öffentlichkeit, Tatsachenverdrehung, als wäre ich jemand der „seine Mutter misshandelt“, obwohl es genau umgekehrt war – ich brauchte Jahre bis ich kapierte dass es nicht so war

– Verbunden mit dem ersten Punkt startete sie ohne Vorwarnung plötzliche, gewaltsame Verfolgungen durch die Wohnung, in die Ecke drängen, Rennen durch die Wohnung, Aufreißen der Augen und Erschrecken, Langgezogenes Brüllen und Schreien teilweise direkt in mein Gesicht, andauerndes Tür knallen und Zerstören von Gegenständen/Werfen von Gegenständen auf mich, Prügel, Schläge, wenn ich daraufhin durchdrehte und mich gewehrt habe, dies in aktuten Phasen täglich mehrmals

– Mein Vater wurde mit dem Messer bedroht, er wurde extrem oft geschlagen, bei Gegenwehr verprügelt, bei seiner Anwesenheit stieg die Intensität der oben genannten Verhaltensweisen ins noch Extremere und richteten sich hauptsächlich gegen ihn als „Anführer des Komplotts“, mit den Jahren wurde es häufiger sodass er daraufhin aus der Wohnung floh und erst spätnachts wieder kam

– sie war durchgängig extrem zwanghaft, verbrachte den ganzen Tag im Badezimmer um Make-up aufzutragen und dies mit einem Lappen wieder herunter zu schrubben bis ihr Gesicht blutete (sie kam dabei nicht einmal aus dem Badezimmer heraus bis zum Abend, ich war den ganzen Tag alleine), hatte mit den Jahren ein immer beängstigerendes Aussehen, wie eine verwesende Leiche. Wir durften im Haus nichts alleine machen, da wir ja etwas hätten dreckig machen können, tat ich es doch z.B. wollte mir ein Brot schmieren, traten alle oben genannten aggressiven Verhaltensweise als Strafe ein

– In Phasen weniger aggressiver Natur war meine Erzeugerin tief depressiv, weinte oft, oder sie überhäufte mich und meine Schwester mit extremer Zuneigung, was sich darin äußerte dass sie uns z.B. extrem fest drückte bis es weh tat, und es tat sehr weh weil sie mit den Jahren immer dürrer und knochiger wurde

Dies sind nur wenige Punkte. Ich habe nicht die Kraft für mehr. All dies spielte sich tagtäglich ab bis ich 15 war. Mit den Jahren durchlebte ich eine Art Einsicht. Mein Glaube, ich würde wirklich das sein was sie mir vorwarf wandelte sich in Hass, der Hass gegen meine Erzeugerin und meine Verzweiflung stiegen ins Unermessliche, mein Bewusstsein dafür, dass ich das alles nicht verdient haben kann, drängte sich immer mehr vor, lange versuchte ich mich zu wehren, lieferte mir sogar Kämpfe mit ihr. Konträr dazu die in mein Unterbewusstsein eingepflanzten Schuldgefühle und Geltungsbedürfnisse, die mich bis heute quälen und regelmäßig indirekte Flashbacks erzeugen. Ich fing an, mich über Geisteskrankheiten zu informieren und kam eigenständig darauf, dass meine Erzeugerin schizophren sein könnte, wegen dem extrem abrupten Wechseln zwischen den verschiedenen Persönlichkeiten, ihre Unberechenbarkeit. Ein Schlüsselerlebnis brachte mich endlich an den Punkt, mir Hilfe im Außen zu holen, die bis dato nie auch nur ansatzweise erfolgt ist, da Nachbarn sich lediglich über Lärm und Geschrei beschwerten und meine Erzeugerin auf Elternabenden entweder in einem ruhigeren Persönlichkeitsmodus war oder einfach nur als cholerisch bewertet wurde. An einem Tag eskalierte die Situation derart dass ich barfuß aus der Wohnung rannte und wie ferngesteuert bei einem Nachbarn unterkam. Darauf hin fasste ich langsam den Mut, zu einer Betreuungsstelle der Kleinstadt, wo ich wohnte, zu gehen. Dort warf ich einen langen, verzweifelten Hilferuf in den Briefkasten. Bald darauf hatte ich dort Gesprächstermine. Mein Vater bekam davon Wind und sah langsam aber sicher die Dringlichkeit etwas zu unternehmen. Ich hatte, als sich alles ab dem Teenageralter zuspitzte und die aggressiven Phasen meiner Erzeugerin nicht nur immer öfter kamen sondern auch härter wurden, zunehmend Nervenzusammenbrüche, am Ende täglich, die er auch mitbekam. Er schaltete endlich das Jugendamt ein. Schlussendlich wurde meiner Erzeugerin 2006 das Sorgerecht entzogen.

Die darauffolgenden Jahre nach meinem Hilferuf Anfang 2006 waren von Therapien und Medikamenten geprägt. Zunächst kam ich für 3 Wochen in eine Pflegefamilie, dann habe ich ein Jahr in zwei verschiedenen stationären Kliniken verbracht. Die Zeit war von Nervenzusammenbrüchen, aber auch von erstmaligen positiven Erlebnissen mit Gleichaltrigen geprägt, welche aber sofort wieder schwanden, sobald entsprechende Leute entlassen wurden. Besonders gut tat mir die Struktur, was auch den Psychologen auffiel. Dort bekam ich aufgrund meiner Zustände erst Risperdal, dann Seroquel und Fluctin, letzteres nehme ich bis heute. Diese Zustände waren immer ein Rätsel gewesen. Ich dachte lange ich hätte formale Denkstörungen, letztendlich verließ ich die Kliniken mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, emotionale Störung im Kindesalter und psychotische Episode. Extrem schrecklich war für mich die Zeit, wo ich unter Risperdal, Fluctin und einem Antiepileptikum stand. Es war ein schrecklicher Zustand, den ich schwer beschreiben kann. Ich konnte nicht sprechen, mich kaum bewusst bewegen, aber in meinem Kopf war die Hölle los. Da war alles durcheinander und mein Körper war wie ein Gefängnis. Alles nur wegen der Medikamente. Gerade in dieser Zeit wurde ich entlassen, in eine therapeutische WG, Ich war ein Dreivierteljahr in der stationären Klinik gewesen und die Veränderung sowie diese Medikamente warfen mich in ein tiefes Loch, welches ich nun nicht mal mehr kommunizieren konnte, da ich unfähig war adäquat zu sprechen und mich zu bewegen. Ich kam bald wieder in die Klinik und die Medikamente wurden umgestellt, was Besserung brachte.

Nach der Klinik passierte das Unglaubliche: Mein Vater holte meine Erzeugerin zurück in die inzwischen neue Wohnung. Meine Erzeugerin war zwischenzeitlich ebenfalls in der Klinik gewesen und war unter Medikamente gestellt worden. Da mein Vater, der ja zeitlebens immer vor den schlimmen Situationen flüchten konnte, immer noch Gefühle (!!!!) für meine Erzeugerin hatte, wollte er noch einen Versuch wagen, ungeachtet des Leidensweges, den ich in meiner Rehabilitation durch machte. Meine Erzeugerin setzte die Medikamente ab und so entwickelte sich alles wieder zu dem Horror, der mich vorher bereits krank gemacht hatte.

2008 lernte ich über das Internet die Frau kennen, die mir vor einigen Monaten auch die Autismus Diagnostik und damit die größte Einsicht meines Lebens ermöglicht hat. Sie nahm mich in ihr Haus bei München auf und half mir, meinen eigenen Haushalt aufzubauen. Meine Leidensgeschichte war da noch lange nicht zu Ende, aber ich konnte endlich einen Cut machen und meine Erzeugerin, welche mich psychisch krank gemacht hatte, zumindest physisch hinter mir lassen.

Dieser Text beschreibt leider nur einen Bruchteil dessen, was mir die schlussendlich offizielle Diagnose posttraumatische Belastungsstörung im Jahr 2006 und viele weitere seelische Narben eingebracht hat. Seit ich weiß dass ich Autistin bin, weiß ich auch, warum meine Halbschwester im Gegensatz zu mir niemals Therapie machen musste, immer Freunde in der Schule hatte und weniger gemobbt wurde – sie hat alles ganz anders verarbeitet als ich. Zu der Tortur durch meine Erzeugerin gesellte sich neben der Tatsache, dass ich Asperger Autistin bin, auch ein sehr wechselhafter Lebenslauf. Sie erzwang mehrere Umzüge quer durch Deutschland und so habe ich meine Grundschule in drei verschiedenen Bundesländern absolviert, was zusätzlich alles schwerer gemacht hat. Ich denke, die Einsicht über mein Wesen zeigt mir nun, warum das alles gerade für mich so traumatisch gewesen ist, dennoch sind die Taten meiner Erzeugerin und das Scheuklappenverhalten meiner Umwelt für mich bis heute unverzeihlich und auch ohne meinen Autismus eine Misshandlung, die an meiner Würde nagt und mich bis heute ungesehen lässt, da es keine Möglichkeit gibt, in irgendeiner Art und Weise Entschädigung zu bekommen, nein, ich werde sogar meines Empfindens nach verhöhnt, indem ich möglicherweise Geld an meiner Erzeugerin zahlen muss sobald ich genug verdiene, da sie arbeitsunfähig geworden ist und einen Betreuer hat, der für sie spricht. Ich werde sozusagen zukünftig auch noch dafür herangezogen, dass sie mich misshandelt hat – täglich als Mensch entwürdigt, beleidigt, isoliert, erpresst, bedroht, vernachlässigt, bloß gestellt, sensorisch gefoltert, drangsaliert, diffamiert und geschlagen hat – und genau dies über viele Jahre in meinen Kopf als Vorwurf verankert hat, sodass ich über ein Jahrzehnt brauchte um überhaupt zu bemerken dass nicht ich sondern sie der Täter war. Es war die komplette Pallette von dem was unter Wikipedia als Psychoterror zusammen gefasst wird, doch das subjektive Erleben eines Kindes welches in so einem Verhältnis aufwächst ist hingehen unbeschreiblich, und die Tatsache, dass ich keine Vergeltung bekomme, weil dieses Biest ja psychisch krank sein soll. Das werde ich nie verstehen, nie verzeihen und nie vergessen, auch nicht, dass mein Vater, der vor einigen Jahren endlich ganz von ihr lossagen konnte und wieder glücklich verheiratet ist, weiterhin für sie Unterhalt leisten muss.

Alles nur, weil man seelische Wunden nicht sehen, nicht filmen, nicht sachlich dokumentieren kann wie blaue Flecken, somit nicht gesetzlich geltend machen kann, nur deswegen bekomme ich keine Genugtuung wie ein Kind, was offensichtlicher geschlagen wurde, oder einfach nur Glück hatte an wachsame Menschen geraten zu sein. Und weil diese Gesellschaft ihren eigenen engstirnigen Maßstab hat, was Leid bedeutet – und die Tatsache, dass ich mich trotzdem durchbeiße, weil ich LEBEN will, als Argument gegen die Wahrhaftigkeit dieser Ungerechtigkeit benutzt!

Alkohol und die unstillbare Sehnsucht

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Ich habe als Autistin mit einer traumatischen sozialen und familiären Vergangenheit eine sehr ambivalente Beziehung zu den Menschen und dieser Welt. Ich will gerne teilhaben, aber kann es nicht in dem Maße wie ich es gerne würde, aber eigentlich will ich ja meistens meine Ruhe und verachte die meisten Menschen um mich herum aus verschiedenen Gründen, meine Ruhe kann ich auch genießen, aber da ist so eine unstillbare Sehnsucht in mir. Die meisten Autisten scheinen diese Sehnsucht nicht zu haben bzw geben vor eh nicht so leben zu wollen wie alle anderen; sie wurden in ihrer Kindheit nicht derart für ihre Bedürfnisse bestraft und glauben nicht sie bräuchten es oder schulden es, sie hören auf sich selbst wenn sie andere Bedürfnisse haben, als die Mehrheit der Menschen um sich herum, auch wenn das das physische Fernbleiben ebendieser Mehrheit bedeutet. Sie begeben sich in die Außenseiterposition, und es scheint als würden die meisten es bereitwillig tun, auch wenn sicherlich auf jedem Autisten dieses Anderssein lastet. Jemand meint zu recht, ich liebe mich selbst nicht, ich ruhe nicht, ich bin rastlos und achte nicht auf mich.

Ich wollte immer dazu gehören. Jedoch wollte ich deswegen nicht so sein wie alle anderen. Ich wollte einfach nur nicht allein und einsam sein. Auch mal dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit haben, und zwar in einer Gruppe. Ein Teil von etwas sein. Nicht aussenstehend… Aber es ging einfach nie. Ich war immer anders, und versuchte ich es dennoch, so wurde ich entweder abgestoßen oder mein Körper hat mir bald signalisiert dass er das nicht mehr mitmacht. Sei es in Form von Overloads, destruktiven Stimmings oder Meltdowns.

Ich hatte auch immer ein romantisch verklärtes Bild von Zusammengehörigkeit und Geborgenheit. Ich hab als Kind mich in Fantasiewelten geflüchtet. Manchmal Serien, meistens aber Musik. Die Welt beobachtet, und die Symbiose aus Musik, meinen Gedanken und dieser Außenwelt ergab dann dieses romantisch verklärte Bild, welches ich über Jahre vertieft, gepflegt, mich krankhaft hineingesteigert habe, um jeden Preis, trotz des zusätzlichen Leides, welches ich mit meinen unerreichbaren Liebschaften, welche es in real gar nicht gab (z.B. Zeichentrickfiguren) erzeugte. Das Gefühl was ich erreichen und fühlen wollte, man kennt es zB. aus Hollywoodfilmen. Die unglaublich romantische Liebesgeschichte, der einmalige Spring Break der Jugendlichen, Drogen- und Partyrausch, Massenglück, die perfekte Liebesgeschichte, das volle Leben. Es schien mir, es konnte nur auf diese romantisch verklärte Art wirklich lebenswertsein. Ich trieb mich mit diesen Idealistischen Vorstellungen selber ins Abseits, aber es musste sein. Ich war immer sozial isoliert, wegen besagten sozialen und familären Traumata. Misshandlung der eigenen Mutter, Mobbing, Isolation, aber dennoch musste ich funktionieren, ich brauchte diese Realitätsflucht um zu überleben, ihre ständige Misshandlung, die Overloads und Meltdowns die sie bei mir erzeugte auszuhalten, auszugleichen, einen Traum zu bewahren in dieser harten Zeit und sei er noch so unrealistisch. Bis ich 15 war habe ich nichteinmal geahnt dass in meinem Leben alles traumatisch war. Ich dachte immer, ich wäre einfach unzureichend. Eine kleine graue Maus, die das wahre Leben da draussen nie erfahren würde. Nur in ihrem Kopf.

Seitdem ich alleine wohne habe ich langsam einen gewissen Zugang zum realen Leben erarbeitet. Das ging aber nie so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Alkohol wurde langsam der Katalysator den ich brauchte, um meine Träume vom realen sozialen Leben zu verwirklichen. Aber dafür hatte ich eben auch zu leiden. Tiefe Löcher danach, Wöchentliches trinken bis zum Limit forderten ihren Tribut. Nach dem Hoch, der so lange ersehnten Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft folgten immer depressive Löcher.

Zurzeit lerne ich, wie wichtig Struktur und Routine wirklich für mich ist. Meine schizophren paranoide Mutter hatte mir nie einfachste Dinge beigebracht. Routine war in meinem Leben etwas, was immer nur mit Angst vor Bestrafung als Motivation erfolgte. Ich lebe nun seit 7 Jahren alleine mit meinem Haushalt, und ich habe sie immernoch nicht verinnerlicht. Wenn ich getrunken habe, bringt das alles noch mehr durcheinander, ich muss mir meine Prioriäten, meine zeitliche Planung, und meine Motiivation mein Leben strukturiert zu führen, zum Zweck der Selbstentlastung, wieder hart erarbeiten.

Aber es zieht mich immer dennoch zum Alkohol. Ich will doch so gerne Leute um mich, und mit ihnen zusammen fühlen können, nicht immer teilnahmslos sein. Es muss nicht oft sein. Einmal die Woche das Gefühl zu dieser Welt, dieser Gesellschaft zu gehören, das reicht mir schon. Aber ich brauche den Alkohol. Er gibt mir die Möglichkeit meine Ängste und Hemmungen zu vergessen und mitzufühlen. Ich habe dann endlich Dinge über die ich reden kann. Ohne fällt mir einfach nichts ein, nein es fällt mir WIRKLICH einfach NICHTS ein, es nicht nicht so dass man das mit gutem Willen oder Übung besser machen könnte. Ich sitze ohne Alkohol teilnahmslos in der angeregten Menschenmenge die scheinbar vollautomatisch sich untereinander in ihrer Stimmung synchronisiert. Die Stimmmung springt von einem zum nächsten, wie in einem Fußballstadion, und Gespräche gehen fließend ineinander über, knüpfen untereinander an, und so viele Dinge, über die diese Leute reden können. Nur ich nicht. Ich sitze da wie ein Stein. Frage mich, was soll denn daran jetzt interessant sein, wieso ist das denn jetzt lustig, was hat der jetzt gesagt? Es ist so laut hier. Ich verstehe nichts, mein Brustkorb schnürt sich zu, weil alles zuviel auf einmal ist.

Wenn ich betrunken bin, kann ich monologisieren über meine Spezialinteressen, genau so wie nüchtern, aber viel sprunghafter, fließender. Ich habe Menschen damit sowohl schon vergrault als auch fasziniert, wurde gleichermaßen als Genie und als komisch bezeichnet, oder einfach nur gemieden, wenn man mich das nächste Mal sah. Ich kann dann erstens die Reize ausblenden, zweitens ignorieren dass der andere vielleicht gerade abwertend schaut weil er nicht mehr mitkommt, oder die ungläubigen Blicke ausblenden, alles, was ich über die Jahre als Reaktion auf mich als Person gelernt und in meiner Datenbank der menschlichen Regungen abgespeichert habe. Ich kann auch mal lachen, nur weil alle anderen gerade lachen, und endlich den Rausch der Menge spüren, dieses Zugehörigkeitsgefühl. Dabei sein. Ich verstehe dann zwar nicht, wieso sie lachen, aber das ist auch egal. Hauptsache ich kann endlich dabei sein.
Ich kann diese Blase, die ich ständig um mich habe, die mich von der Welt unsichtbar abschottet, ausweiten und den anderen scheinbar mit hinein nehmen. Dann sind ich und die Menschen mit denen ich in meinem Trunkenheitszustand zu tun habe, endlich in einer Blase. Ich bin nicht mehr einsam!

Alkohol ist leider zu einem elementaren Bestandteil in meinem sozialleben geworden. Ich bin leider auch Hypochondrer, habe ständig Angst vor meinem Körper, davor wie es in mir aussieht, was mein Körper macht. Angst krank zu werden. Wenn mich die depressiven Phasen einholen so tut es auch die Angst. Angst vor mir selbst, meinem Fleisch, vor der Zukunft, vor dem Leben. Bin ich süchtig? Bin Ich Alkoholiker? Jedes Zeichen meines Körpers werte ich als ein kleines Todesurteil. Ich rauche auch, bekomme ich nach einem Suffabend keine Luft mehr, weil ich zuviel geraucht habe, habe ich danach tagelang ein beengendes Gefühl in der Brust. Leider bin ich extrem psychosomatisch und ich weiß natürlich nicht wo Ursache und Wirkung auszumachen sind.

Nun sitze ich wieder mal hier, mit einer Unordnung in meinem Kopf. Die Routine ist so nichtig, die Sicherheit die sie mir gibt, angesichts der Freuden die mir der Alkohol bringt. Es ist jedes Mal so, als müsste ich mich aus einer Welt verabschieden, nach der ich Heimweh habe, aber nicht zu ihr gehöre. Es ist schmerzhaft nach Hause zu gehen, ins eigene Heim, und auszunüchtern, und dann noch die Schmerzen die man dann körperlich hat. Nagut aber die hat ja jeder.
Auch das Loch danach hat jeder. Aber das ist ein Stimmungsloch. Für mich ist es ein Wurmloch, welches ich vorher betreten habe, und nun bin ich wieder da, und merke, dass das alles nur ein Traum ist, nur Illusion, dieses Zugehörigsein.

Will ich nicht im Grunde die Überlebensstrategie, die ich damals unter ständiger psychischer Folter ersonnen habe, weiterführen, weil es das einzige ist was ich gelernt habe, das einzige, was mir Sinn im Leben gab für lange Zeit? Muss ich den wahren Sinn des Lebens noch finden, weitab von extremen schwarz-weiß Vorstellungen, Märchengeschichten, Abgabe der Verantwortung und Rausch?

Empathie heißt nicht gleich Empathie

Wer sich bereits etwas ausführlicher über das Asperger Syndrom bzw Charaktereigenschaften eines autistischen Menschen im Allgemeinen informiert hat wird feststellen, dass es teils sehr widersprüchliche Aussagen zum Thema Empathie, Gefühlsempfindung und Phantasie bei Aspergern gibt. Da sind auf der einen Seite die meist von Tagesblättern oder vermeintlich sachlichen Zeitschriften publizierten Artikel, zum anderen authentische Blogeinträge von Asperger Autisten selbst. Erstere postulieren gerne, der Asperger sei ein gemeinhin gefühlskalter Mensch, der wenig Phantasie besitzt und sich eine schlechte Vorstellung über andere Menschen machen kann. Das fatale ist hier, dass nicht nur  von der äußeren Wirkung auf innere Vorgänge geschlossen wird (was übrigens nicht gerade von Einflühlungsvermögen und Empathie zeugt), sondern auch im Kern kognitive Empathie mit affektiver bzw. emotionaler Empathie verwechselt werden.

Als ich aus der Arztpraxis mit meiner Diagnose heraus kam, war ich einerseits positiv entlastet, andererseits bahnten sich schon die ersten Grübelzwänge an. Der Facharzt schien während unserer Gespräche in einigen Punkten nicht ganz sicher zu sein ob die Asperger-Charakteristik bei mir zuträfe. Das kam vorallem durch die Tatsache, dass ich in einem gewissen Wortschatz durchaus in der Lage war, so wie ich auch jetzt einen Text schreibe Gefühle zu verbalisieren. Ebenso zeigen meine Arbeiten im Model- und Fotografiebereich dass ich über ein hohes Maß an Fantasie verfüge. Meine Empathiefähigkeiten sind im zwischenmenschlichen Bereich tatsächlich so gut wie gar nicht vorhanden, geht es jedoch um Grundsatzthemen moralischer Natur zum Beispiel, gehe ich schnell in einen derart emotionalisierten Zustand über, dass ich kaum mehr über ein solches Thema sprechen kann. Ein Beispiel hierfür wäre die Diskriminierung einer Minderheit. In diesem Fall kann ich, selbst wenn ich nicht zu dieser Minderheit gehöre, extrem viel Empathie empfinden. Es ist eine Art Ungerechtigkeitssinn, der sofort ausschlägt, sobald irgendwelche Handlungen von Menschen für mich unverständlich bleiben und Differenzen auslösen. Ein schwieriges Thema, welches ich hoffe einmal besser erfassen zu können, zurzeit gelingt mir das aber leider nur unzureichend.

Ein weiteres Stigma ergibt sich nicht nur dadurch, dass Aspies ihre Gefühle, Fantasie und Empathie nicht genügend verbalisieren und in Worte packen können und sie dadurch für NT’s praktisch nicht vorhanden sind – speziell bei weiblichen Asperger Autisten wie ich eine bin wird es ja noch einmal deutlich komplizierter. Sie gehen noch weniger als ein Asperger durch als jene Autisten, die bereits schon durch ihre umfangreiche Gefühlsdatenbank beschwichtigt werden, da Frauen sich in einigen Punkten von Männern nunmal unterscheiden. Dazu zählt der Umgang mit Emotionen und die Interessensentwicklung. Natürlich gibt es Überschneidungen, dennoch glaube ich dass Frauen immer sehr viel eher durch das Raster fallen werden, da sie, so meine Theorie, eher als Männer gelernt haben mit ihren Emotionen zu haushalten, statt sie, wie es Männer auf den ersten Blick meist tun, entweder auszuagieren oder zu verdrängen. Dadurch entwickeln sie oft umfangreiche Kompensationsstrategien, die auch den Ausdruck von Gefühlen, das Empfinden von Empathie und das Entwickeln von Fantasie betreffen.

Ich habe einmal irgendwo das Bild einer Art inneren „Datenbank“ der zwischenmenschlichen Regungen aufgeschnappt, die jeder Autist im Laufe seines Lebens erstellt. Darin gibt es viele Spalten, unter denen jeweils verschiedenste Interpretationsmöglichkeiten für menschliches Verhalten für den täglichen Gebrauch mit der Zeit abgespeichert werden. Je nach dem wie autistenfreundlich die Kindheit und das Umwelt desjenigen war und ist wird die Datenbank sicherlich unterschiedliche Einträge haben. So ist es nicht zwingend der Fall dass ich beispielsweise Witze einfach nicht verstehe. Wenn ich Menschen in einer humoristischen Weise miteinander reden höre, springt meine Datenbank an und gleich den Klang ihrer Stimmen, die Wortbedeutungen und ihre Gesichter (je nachdem wie viel ich gerade schaffe) mit bestehenden Einträgen ab. Leider habe ich recht viele negative Einträge, was zB bei einer Gruppe von Jugendlichen, die sich auf sarkastische Art und Weise unterhält bewirkt dass ich mich schnell verfolgt und unwohl fühle. Im Laufe meines Lebens habe ich derartige Gespräche oft mit dem Attribut „Mobbing“ versehen müssen, was solche inneren Gefühlsreaktionen förmlich millisekundenschnell zur Folge hat – ich kann es praktisch nicht steuern, höchstens mit einer gewissen Portion Optimismus und Rätselraten, es möge doch eine mir gegenüber neutrale oder positive Unterhaltung sein.

Alles in allem hat meine Datenbank aber ebenso auch neutrale Einträge, und so kann ich meine fehlende kognitive Empathie ausgleichen, die ihre Aufgabe bei allen anderen rein intuitiv und auf die vielfältigen Parameter einer jeden zwischenmenschlichen Situation zugeschnitten erledigt. Eigentlich vermisse ich meine kognitive Empathie gar nicht, denn meiner Meinung nach ist sie es auch, die einen Menschen eher seinen Herdentrieben und Bedürfnissen nach Authöritäten nachgeben lässt, während man mit einer emotionalen Empathie in Kombination mit seinem Verstand und dem nicht-vorhanden-sein der kognitiven Empathie eine gesunde Moral und eine eigenständige Denkweise entwickeln kann. Das ist etwas, was ich an meinem Autismus sehr schätze. Das einzige was es noch zu bändigen gilt, ist die emotionale Empathie, welche bei mir leider noch viel zu oft anschlägt.

„Spezialinteressen“

Da ich in meinem Blog meinen Weg der Selbstreflektion vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass ich nun offiziell das gesellschaftliche Label „Autismus“ inne habe niederschreiben möchte, darf natürlich ein Blogeintrag über die lieben Spezialinteressen nicht fehlen. Eines aber erst einmal vorweg: Irgendwie widerstrebt es mir, von „Spezialinteressen“ zu sprechen. Genau so wie es mir generell auf eine extreme Art und Weise widerstrebt, Befindlichkeiten und Dinge in Labels und Schubladen zu unterteilen. Ich möchte daher darauf aufmerksam machen dass ich Wörter aus dem autistischen Spektrum nicht nur aus Sensibilisierungsgründen nutze, sondern weil es nunmal nicht anders geht. Denn will ich in einer Gesellschaft mit einer bestimmten Kultur und einem bestimmten Konsens, der als normal und allgemeinhin wahr angenommen wird, über mich als jemanden  reden der offensichtlich nicht zu dieser Gesellschaft gehört da er andere Bedürfnisse hat, dann muss ich mich zwangsläufig in einer schubladisierenden Sprache ausdrücken, ob es meinem Rechtfertigungsego nun passt oder nicht. (Mist, Eigentor.)

Rückblickend auf den Tag, als ich die Diagnose erhielt, waren meine Spezialinteresse eigentlich keine. Nach Ansicht des Facharztes sind meine Interessen für einen Autisten recht ungewöhnlich, aber manche von ihnen auch sehr nachvollziehbar für jemanden, der die Masse der Autisten kennt, bzw ein bestimmtes Bild von ihnen hat.

Es gibt Interessen die mich schon mein ganzes Leben mehr oder weniger, zwar mit Unterbrechungen aber doch recht beständig verfolgen. Dazu gehört die visuelle Kunst. Mit visueller Kunst meine ich Zeichnen, Malen sowie alles was auch in den digitalen Bereich gehört. Ich zeichnete seit ich Denken kann leidenschaftlich gerne und gut. Was ich dabei schon immer sehr gut konnte war, mich in der Linienführung, Detailgenauigkeit und Sorgfalt beim Zeichnen zu verlieren. Klar gegliederte Zeichnungen mit eindeutigen Strichführungen waren das was ich am besten konnte, so war es auch nicht verwunderlich dass ich im Teenageralter wie verrückt Animes schaute und Mangas las und von unzähligen Zeichnern den Stil in mich aufsaugte. Meine Note im Kunstunterricht war fast immer konstant eine 1 gewesen, während alles andere mit der Zeit immer mehr den Bach runter ging. Meinen ersten Computer bekam ich mit 13, daher ging mein Interesse am visuellen Gestalten bald in die digitale Welt über. Über ein Praktikum kam ich mit 17 an ein professionelles Bildbearbeitungsprogramm und eignete mir über viele Jahre hinweg autodidaktisch fachliche Kenntnisse im Umgang damit an.

Mit der Computerzeit begannen auch sogleich andere Spezialinteressen sich ihren Weg zu bahnen. Das waren vorallem der Computer selbst und Musik. Meine traumatische Kindheit mit meiner geisteskranken Mutter forderte Überlebensstrategien um sich mental und sensorisch abzukapseln, und Musik war wie geschaffen dafür. Ich begann innerhalb von wenigen Jahren einen sehr differenzierten Musikgeschmack zu entwickeln, der sich von Alternative über Doom Metal über Ambient bis hin zu diversen Spielarten elektronischer Musik führte. Musik ist bis heute mein Stimming-Mittel und Gefühlsverstärker den ich brauche um Ruhe in meinem Kopf zu schaffen und gleichzeitig eine emotionale Lebensqualität zu haben. Musik ist mir so verdammt wichtig geworden im Laufe meines Lebens, dass sie eigentlich einen eigenen Blogeintrag verdient hätte.

Wie es bei Spezialinteressen so ist, kann man mitunter stunden oder sogar Tage damit verbringen, sich mit ihnen zu beschäftigen, und dabei sogar vergessen zu essen oder den Stuhlgang bis aufs äußerste hinauszögern. Einige Interessen hielten nicht lange, waren dafür aber nicht minder intensiv, im Gegenteil. Als ich meinen eigenen Haushalt begann, entwickelte sich bei mir ein unbändiges Bedürfnis nach Selbstdarstellung. Ich begann eigene Kleidung zu schneidern und modelte hobbymäßig, nicht viel später kam noch eigene Fotografie als Spezialinteresse hinzu, was sie bis heute ist. Die Tatsache dass dies als eine Art Rollenspiel gesehen werden kann, wozu ja Aspies allgemeinhin nicht fähig sein sollten brachte den Facharzt zum grübeln. Doch für mich war diese Art der Selbstdarstellung kein Spiel und auch kein Theater. Es war kein Verkleiden, auch wenn es immer so gesehen wurde. Alles war echt, jedes Foto und jedes Kleidungsstück sollte einen Teil von mir darstellen. Ich strebte immer danach, Fotoshootings nach einer „Message“ auszurichten, soweit mir das möglich war und konnte die Fotos dank meiner erfahrenen Kenntnisse in Bildbearbeitungsprogrammen auch selbst dahingehend bearbeiten, dass meine Vision von einer Art „Fotokommunikation“ oder „Bilderalbum der Seele“ Gestalt annehmen konnte. Leider wurde der Wettbewerbsdruck derart groß, dass ich diese Leidenschaft irgendwann nicht mehr ungestört ausleben konnte. Ich fing an mich mit anderen zu vergleichen und Geld damit verdienen zu wollen und das machte mein ganzes kreatives Potenzial zunichte. Zumal ja sowieso nie jemand verstanden hat was diese Fotos mir bedeuteten, abgesehen von einigen abwertenden Assoziationen mit dummen Klischees, die ich mit meinen Motiven zufällig und ohne es zu merken traf, aber niemals transportieren wollte.

Nun, da ich meinen Traum vom kreativen Beruf aufgegeben hatte, wollte ich mich etwas zuwenden was ebenso schaffenskräftig war, jedoch nicht die Ergebnisse in einen Wettbewerb subjektiver Bewertungen stellte, wie es bei der Kunst der Fall ist. Ich wollte meine Seele nicht verkaufen, aber dennoch etwas schaffen. Dieser Weg führte mich da hin, wo ich nun bin: Ich studiere angewandte Informatik und bis jetzt ist es für mich genau das richtige.

Nun, ob etwas ein Spezialinteresse wird, hängt aber auch von vielen Faktoren ab, wie ich bisher feststellen konnte. Zum Beispiel muss das Umfeld „autistenfreundlich“ sein, d.h. ruhig, strukturiert und ohne Druck. In so einem Umfeld konnte ich bisher immer am besten mein Potenzial entfalten. Daneben gab es aber auch unabhängig davon immer „Auswüchse“ von ganz plötzlichen Interessen die für Außenstehende wie aus dem Nichts zu kommen schienen. Ich begann einmal zum Beispiel, mich unbändig für Pole Dance als Tanz und als Sportart zu interessieren. Ich verbrachte fast jeden Tag Stunden damit, mit entsprechende Videos von Weltmeisterschaften anzuschauen, wo sich gelenkige Frauen und Männer wie Pappfiguren leichtfüßig um die Standen schwangen. Die intensität zu beschreiben ist schwer. Mich unbändig dafür zu interessieren bedeutete, dass ich alle Hebel in Bewegung setzte um allerlei Informationen und Bilder zu bekommen. Da ich nie viel Geld hatte musste  ich es leider bei einem Schnupperkurs belassen. Aber das Gefühl, welches man dann in Bezug auf dieses Interesse entwickelt, unterscheidet sich glaube ich, in einem Punkt besondern von den Interessen neurotypischer Menschen: Man entwickelt einen Tunnelblick und sieht nur noch sein Interesse, hat aber gleichzeitig einen sehr scharfen und sensiblen Blick darauf. Man könnte nur noch darüber reden, lesen, alles will man darüber erfahren und die Zukunftsträume drehen sich natürlich auch fast nur darum. Meist habe ich erst wenn diese Phase, die von wenigen Wochen bis Jahre dauern kann, wieder einen klaren Blick und selektive Interessen an meinem Alltag. Denn so ein Spezialinteresse kann nicht nur das Selbstbewusstsein unheimlich boosten und den Glauben an eine schöne Zukunft herstellen, es kann umgekehrt auch den Alltag durcheinanderbringen und einen alles um einen herum vergessen lassen, und schließlich auch der Auslöser für Grübelzustände sein, auch wenn diese in dem Fall sich um ein positives Thema drehen; es ist oft nicht sehr träglich wenn man in seinem Alltag derart an einem Interesse festhängt dass Zeitmanagement und Umsetzung des lebenswichtigen Alltags auf der Strecke bleiben.

Umgekehrt gibt es aber auch die Abwesenheit von Spezialinteressen. Wenn ich nichts habe was mich richtig interessiert verfalle ich oft wieder in meine stereotypischen Verhaltensweisen, wie ich sie auch hier beschrieben habe. Oder ich habe einfach mal gar nichts was mich so richtig interessiert. Diesen Zustand finde ich aber eher unangenehm. Ein Spezialinteresse zu haben bedeutet für mich, so richtig hinter einer Sache zu stehen und darin versinken zu können. Wenn ich ein Nähprojekt habe und die ganze Nacht an der Konzeption meines Schnittmusters arbeiten kann bin ich glücklich. Genauso, wenn ich 8 Stunden am Stück an meinem Sourcecode wälze. Ein Spezialinteresse zu haben gibt mir Kraft so lange zu arbeiten bis Erfolge zu sehen sind, und die Genugtuung ist groß. Umgekehrt fühle ich mich ohne ein spezielles Interesse meist sehr leer und apathisch. Es ist schade, dass ich die Intensität, die ich für ein Interesse entwickle, bisher nie steuern konnte. Die Dinge die mich fesselten taten es aus heiterem Himmel und das hatte oft eine sehr experimentelle Vorgehensweise zur Folge. Wer weiß, vielleicht ist es ja möglich, den Mechanismus, mit dem der Ehrgeiz entsteht wie man ihn hat wenn man seinen Spezialinteresse nachgeht, zu ergründen und für sich zu nutzen, wenn man gezielt produktiv sein möchte?

Das große Grübeln

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Zeichnung von 2006: Wenn in meinem Kopf ein Dilemmakrieg herrscht

An manchen Tagen bin ich nicht zu gebrauchen. Das sind die Tage, an denen mein Kopf sich verhält wie eine Gewitterwolke. Es herrschen Spannungen, die weit über dem messbaren liegen. Viel schlimmer ist aber: ich kann einfach nicht hineinschauen. Meine Gedanken schießen kreuz und quer durch meine Gehirnwindungen und wollen sich einfach nicht deklarieren lassen. Leuchten wie Blitze kurz auf um dann wieder im Nichts zu verschwinden und nichts als Ladung und elektrische Unordnung zu hinterlassen, die nur darauf wartet sich wieder zu entladen.

Ich frage mich zunehmend, ob dies mentale Overloads sind. Seitdem ich Asperger Autismus im März 2015, mit 24 Jahren, diagnostiziert bekam wurden diese Spannungen besonders in Bezug darauf unerträglich. So viel was sich erklären ließe. Aber die Worte mögen sich nicht formen.

An solchen Tagen tut es schon weh überhaupt wach zu sein. Ich bin hin und hergerissen zwischen Gedanken sortieren und Gedanken ignorieren. Alles, damit ich einfach sein kann wie alle anderen. Meinem Studium nachgehen kann, einen Text verfassen kann, mir etwas zu essen machen kann, duschen gehen kann.

Oft sitze ich dann stundenlang starr da und rattere diverse unproduktive Routinen durch: vor dem Computer sitzen und sich ziellos durch eine Seite klicken ohne sie überhaupt wahrzunehmen. Mit dem Handy Apps auf und zu machen nur um das Dashbord von Instagram nach 3 Sekunden erneut zu laden obwohl sich in der Zwischenzeit nichts getan hat. Fotos, Dinge aller Art ordnen. Muster und Strukturen in meinem Zimmer, auf Webseiten oder sonstwo wie besessen betrachten. Oder ich sitze einfach nur da und tue nichts. Außer gedanklich mich im Kreis zu drehen.

Und dann ist da das Verstehen. Dieses Gefühl mit diesem Grübelknäuel, wie man es treffend beschreiben könnte, da es sich mit zunehmender Anstrengung immer schlechter entwirren lässt und von außen keinen Einblick in die Struktur gewährt, komplett alleine und abgeschottet zu sein. Der Versuch von außen zu beschwichtigen würde das Knäuel mit einem Schlag noch mehr verwirren lassen, statt ein Gefühl von Erleichterung zu geben. Ich ersinne zunehmend Verbindungen zu meiner Vergangenheit seitdem ich dies als mentalen Overload klassifizieren kann. Damals war ich 16. Ich habe ein Jahr in verschiedenen stationären Kliniken verbracht und neben psychotischen Episoden allerlei lustige Diagnosen bekommen, die aber alle mehr schlecht als recht waren. Meine Grübelzwänge waren damals derart intensiv dass ich mutistisch wurde, körperlich in eine Komplettstarre verfiel und Muskel aufs intensivste angespannt waren. Man gab mir Medikamente gegen Epilepsie und Seroquel, um mit mir arbeiten zu können.

Die Brücke ist geschlagen. So vieles erklärt sich. Dennoch finde ich keine Ruhe. Jeder Versuch einen Text zu schreiben fühlt sich an wie eine lächerliche Farce. Es IST nicht möglich dieses Gedankenwirrwarr ausreichend in menschlicher Sprache zu erfassen. Das einzige, was als Vergleich dafür herhalten könnte wäre Schrödingers Katze. Meine Gedanken sind weder das, noch das. Sie sind einfach nicht fassbar aber wollen es doch so dringend. Ich bin mal wieder mental overloaded, und ich wüsste nichts was ich dagegen tun könnte.